Gleithörnchen
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System |
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Unterklasse: |
Höhere
Säugetiere (Eutheria) |
Überordnung: |
Euarchontoglires |
Ordnung: |
Nagetiere
(Rodentia) |
Unterordnung: |
Hörnchenverwandte
(Sciuromorpha) |
Familie: |
Hörnchen
(Sciuridae) |
Unterfamilie: |
Baum-
und Gleithörnchen (Sciurinae) |
Tribus: |
Gleithörnchen
( |
Wissenschaftlicher Name |
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Pteromyini |
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Brandt
1855 aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie |
Die Gleithörnchen (Pteromyini) sind
ein Tribus der Hörnchen (Sciuridae). Zwischen ihren Vorder- und Hinterbeinen
spannt sich eine Gleithaut, die wie ein Gleitschirm wirkt, wenn sie von einem
Ast springen. Obwohl sie nicht wirklich fliegen können, werden sie auch Flughörnchen
genannt.
Merkmale
Die Gleithaut wird an der Handwurzel von einem sichelförmigen Knochen gespannt; von hier reicht sie zum Fußgelenk des Hinterbeins. Der Schwanz ist immer lang, breit und buschig und dient als Steuer. Auf diese Weise können Gleithörnchen Strecken von bis zu 50 m zurücklegen. Bei den Riesengleithörnchen wurden im Einzelfall und unter günstigen Bedingungen sogar 450 m gemessen. Vor der Landung drehen Gleithörnchen ihre Körperachse, so dass sie senkrecht zum Boden stehen und mit Hilfe der weit gespreizten Gleithaut abbremsen. Mit weit gekrümmtem Körper und abstehendem Schwanz landen die Gleithörnchen mit allen Vieren auf der Unterlage, die ihr Ziel ist. Gleithörnchen können mit Hilfe ihres Schwanzes sogar im Flug die Richtung ändern.
Die Gleitfähigkeit hat sich unter den Säugetieren mehrmals unabhängig voneinander entwickelt. Es gibt weitere Gruppen gleitfähiger Tiere, die mit den Gleithörnchen nicht verwandt sind. Zu diesen Tieren, die in konvergenter Evolution ganz ähnliche Lebensweisen wie die Gleithörnchen entwickelt haben, zählen die Gleitbeutler, die Zwerggleitbeutler, die Riesengleitbeutler, die Riesengleiter und die Dornschwanzhörnchen.
Alle Gleithörnchen
haben kräftige Krallen, die sie zum sicheren Klettern befähigen. Sie haben an
den Vorderbeinen vier und an den Hinterbeinen fünf Zehen. Der Kopf ist rund und
niemals spitz zulaufend. Die großen Augen zeugen von der nachtaktiven
Lebensweise.
Lebensweise
Gleithörnchen sind Waldbewohner. Man trifft sie niemals in offenen Landschaften, da sie hier ihre Gleitfähigkeit nicht ausnutzen könnten. Meistens sind sie dämmerungs- und nachtaktiv. Sie klettern rasch in den Bäumen, können aber keine weiten Sprünge wie die Baumhörnchen vollführen; auch am Boden sind sie sehr ungelenk, da die Gleithaut bei den Bewegungen behindert. Die Nahrung besteht wie auch bei anderen Hörnchen aus Nüssen und Früchten, nebenbei werden auch Insekten gefressen.
Ein Nest wird meistens in einer Baumhöhle,
gelegentlich auch im Geäst gebaut. In diesem Nest schlafen sie und ziehen ihre
Jungen auf. Die Lebensdauer kann bei manchen Arten 13 Jahre betragen, ist aber
meistens kürzer. Durch ihre Gleitfähigkeit gelingt es Gleithörnchen oft,
baumbewohnenden Räubern wie Mardern zu entkommen, allerdings sind sie gegenüber
Greifvögeln und Eulen im Nachteil. In Südostasien hat sich die Maskeneule
regelrecht auf die Jagd auf Gleithörnchen spezialisiert.
Verbreitung
Obwohl Gleithörnchen auch in
Nordamerika, Europa und Nordasien leben, liegt der Schwerpunkt ihres
Verbreitungsgebiets eindeutig auf Ost- und Südostasien. Vor allem in der
indonesischen Inselwelt gibt es einen bemerkenswerten Artenreichtum; viele
dieser Arten sind kaum erforscht.
Systematik
Externe Systematik
Die Zugehörigkeit der Gleithörnchen zur Familie der Hörnchen ist unbestritten. In älteren Systematiken wurden sie als Unterfamilie geführt, in der sie allen anderen Hörnchen gegenübergestellt wurden, die als Sammelgruppe der „Erd- und Baumhörnchen“ (Sciurinae) vereint werden. Während selbst manche Kladistker es lange für möglich hielten, dass beide Taxa monophyletische Schwestergruppen seien, wurde dies von anderen bezweifelt.
Steppan, Storz und Hoffmann kamen 2003 in ihren DNA-Analysen zu dem Schluss, dass die Erd- und Baumhörnchen ein paraphyletisches Taxon seien und die Gleithörnchen aus diesen hervorgegangen sein müssten. Gleithörnchen und Baumhörnchen (einschließlich der Rothörnchen) bilden ihren Untersuchungen zufolge eine gemeinsame Klade; hierin sind die Gleithörnchen die Schwestergruppe der Baumhörnchen. Die Monophylie der Gleithörnchen wurde in der Studie belegt.
Interne Systematik
Die folgenden Gattungen werden unterschieden:
Riesengleithörnchen (Petaurista) |
Namdapha-Gleithörnchen (Biswamoyopterus) |
Schwarze Gleithörnchen (Aeromys) |
Felsgleithörnchen (Eupetaurus) |
Echte Gleithörnchen (Pteromys) |
Neuweltliche Gleithörnchen (Glaucomys) |
Kaschmir-Gleithörnchen (Eoglaucomys) |
Pfeilschwanz-Gleithörnchen (Hylopetes) |
Zwerggleithörnchen (Petinomys) |
Furchenzahn-Gleithörnchen (Aeretes) |
Komplexzahn-Gleithörnchen (Trogopterus) |
Haarfuß-Gleithörnchen (Belomys) |
Rauchgraues Gleithörnchen (Pteromyscus) |
Kleinstgleithörnchen (Petaurillus) |
Horsfield-Gleithörnchen (Iomys) |
Die Beziehungen der
Gattungen untereinander waren weitgehend unbekannt, bis Thorington, Pitassy und
Jansa 2002 ihre umfangreichen phylogenetischen Analysen veröffentlichten. Nach
dieser Untersuchung lassen sich die Gleithörnchen in vier Kladen gruppieren,
die als Trogopterus-Gruppe, Petaurista-Gruppe, Hylopetes-Petinomys-Gruppe und
Glaucomys-Gruppe benannt wurden
Die Gattung Biswamoyopterus wurde in die Untersuchungen nicht einbezogen, so dass ihre Stellung in diesem System unklar ist.
Fossilgeschichte
Die älteste fossile Gleithörnchen-Gattung Oligopetes lebte bereits im frühen Oligozän in Europa. Allerdings wurde dieser Fund nur aufgrund dentaler Merkmale den Gleithörnchen zugeordnet, so dass manche Paläontologen anzweifeln, ob es sich tatsächlich um ein echtes Gleithörnchen gehandelt hat.
Zweifelsfrei belegt sind Gleithörnchen seit dem Miozän aus Eurasien und Nordamerika.
Ausgestorbene
Gattungen der Gleithörnchen sind:
Petauristodon,
Miozän, Nordamerika |
Miopetaurista, Miozän bis Pliozän, Nordamerika und Eurasien |
Aliveria,
Miozän, Europa |
Shuanggouia, Miozän, Asien |
Blackia, Miozän bis Pliozän, Europa und Nordamerika |
Forsythia,
Miozän, Europa |
Albanensis, Miozän, Eurasien |
Meinia, Miozän, Asien |
Pliopetaurista, Miozän bis Pleistozän, Eurasien |
Pliosciuropterus, Miozän bis Pliozän, Europa |
Parapetaurista, Miozän, Asien |
Petauria, Pleistozän, Europa |
Daneben sind auch
manche der rezenten Gattungen fossil nachgewiesen. Die älteste der heute
lebenden Gattungen scheint Hylopetes zu sein, die seit dem Miozän in Asien
nachgewiesen ist. Die Gattung der Echten Gleithörnchen ist fossil seit dem
Pliozän bekannt.
Nomenklatur
Der gültige wissenschaftliche Name der Gleithörnchen ist Pteromyini. Gelegentlich trifft man auch auf die Bezeichnung Petauristinae. Diese wurde in den 1940ern geprägt, als man Pteromys für ein Synonym von Petaurista hielt und so folgerichtig die ganze Gruppe umbenannte. Inzwischen besteht kein Zweifel mehr an der Gültigkeit des Namens Pteromys, so dass der von Johann Friedrich von Brandt geprägte Name Pteromyini verwendet werden sollte.
Gleitfliegende Säugetiere finden
sich in vier verschiedenen Familien aus drei verschiedenen Ordnungen, und zwar
bei den Dornschwanzhörnchen (Anomaluridae) und den eigentlichen Hörnchen (Sciuridae)
aus der Ordnung der Nagetiere (Rodentia), bei den Gleitfliegern (Cynocephalidae)
aus der Ordnung der Riesengleiter (Dermoptera) und bei den Gleitbeutlern (Petauridae)
aus der Ordnung der Beuteltiere (Marsupialia).
Die meisten dieser gleitfliegenden Säugetiere sind in tropischen und
subtropischen Wäldern beheimatet. Ein paar wenige kommen aber auch in Wäldern
der gemässigten Klimazonen vor. Zu letzteren gehört das Gewöhnliche Gleithörnchen
(Pteromys volans), von dem hier die Rede sein soll.
Von
Erd-, Baum- und Gleithörnchen
Die
Familie der Hörnchen ist mit ungefähr 270 Arten eine sehr umfangreiche und
weitverbreitete Säugetierfamilie. Mitglieder der Familie sind die baumlebenden
Eichhörnchen und Riesenhörnchen ebenso wie die bodenlebenden Murmeltiere und
Präriehunde. Ausserdem gehören zur Familie etwa 37 Arten von Gleithörnchen.
Sie werden in einer eigenen Unterfamilie namens Petauristinae von den Erd- und
Baumhörnchen (Sciurinae) abgetrennt.
In der Größe variieren die Gleithörnchen
vom waldmausgrossen Malaiischen Zwerggleithörnchen (Petaurillus kinlochii),
dessen Heimat die Malaiische Halbinsel ist und das eine Kopfrumpflänge von
weniger als 9 Zentimetern und ein Gewicht von unter 50 Gramm aufweist, bis hin
zum katzengrossen Taguan (Petaurista petaurista), welcher in Südostasien
vorkommt und eine Kopfrumpflänge von gegen 60 Zentimetern und ein Gewicht von
bis zu 2,5 Kilogramm erreicht.
Die Unterfamilie der Gleithörnchen wird
gewöhnlich in 14 Gattungen gegliedert. Davon sind die meisten, nämlich 12, in
Süd-, Südost- und Ostasien beheimatet. Nur 1 Gattung (Pteromys; mit 2 Arten)
ist im nördlichen Eurasien zu Hause, und ebenfalls nur 1 Gattung (Glaucomys;
mit 2 Arten) kommt in Nordamerika vor.
Von den beiden eurasischen Gleithörnchen hat das eine ein sehr kleines, das
andere dagegen ein riesenhaftes Verbreitungsgebiet: Das Japanische Gleithörnchen
(Pteromys momonga) findet sich lediglich auf den beiden zentraljapanischen
Inseln Honshu und Kyushu. Das Gewöhnliche Gleithörnchen kommt hingegen vom
Baltikum und Finnland im Westen über die gesamte Nadelwaldzone («Taiga»)
Eurasiens bis zur koreanischen Halbinsel, der russischen Insel Sachalin und der
nordjapanischen Insel Hokkaido im Osten vor.
Einem
«fliegenden Teppich» gleich
Das
Gewöhnliche Gleithörnchen ist ein ungefähr Goldhamstergrossees Tier mit großen
schwarzen Augen und einem dicken, weichen Fell. Die Kopfrumpflänge erwachsener
Tiere beträgt gewöhnlich zwischen 14 und 20 Zentimetern, die Schwanzlänge
zwischen 9 und 14 Zentimetern, und das Gewicht schwankt zumeist zwischen 90 und
170 Gramm.
Das auffälligste Körpermerkmal der Art ist sicherlich die Flughaut seitlich am
Körper. Sie ist voll behaart und
erstreckt sich beiderseits des Leibs vom Handgelenk der Vordergliedmassen bis
zum Fußgelenk der Hintergliedmassen. Von der Handwurzel geht zudem ein
Knorpelstab aus, der den seitlichen Vorderrand der Gleithaut versteift und zusätzlich
spreizt.
Wenn das Gewöhnliche Gleithörnchen wie die meisten baumlebenden Hörnchen «quecksilbrig»
im Geäst der Bäume umherläuft, -klettert und -springt, liegt die sehr
elastische Flughaut entspannt den Flanken an. Will es jedoch einen Baum
erreichen, der außerhalb seiner üblichen Sprungweite liegt, so klettert es
flink an eine höhergelegene Stelle und wirft sich mit einem kräftigen Satz in
die Luft, wobei es Arme und Beine weit von sich streckt. Dadurch breitet es
seine Flughaut aus und segelt zielsicher durch die Luft zum angepeilten Baum.
Dort angekommen, klettert es sofort wieder am Stamm empor und verschwindet im Geäst.
Wirkt
das Gleithörnchen mit angelegter Flughaut ziemlich rundlich, so verliert es
beim Absprung jede körperliche Dicke; es wird dann gewissermaßen zum flachen
«fliegenden Teppich». Durch Änderungen der Arm- und Beinstellung und unter
Zuhilfenahme des langen, buschigen Schwanzes vermag das Gleithörnchen seine
Flugbahn bemerkenswert gut zu beeinflussen. Mühelos kann es Kurven fliegen, um
Hindernissen auszuweichen. Ja es ist sogar imstande, mitten im Gleitflug
rechtwinklig abzuschwenken, um auf einem anderen Baum zu landen als dem ursprünglich
vorgesehenen.
Um zu landen, was gewöhnlich an einem senkrechten Stamm unterhalb der Krone
erfolgt, hebt das Gleithörnchen den Schwanz und die Arme an und richtet auf
diese Weise seinen Körper in der Luft fast senkrecht auf. Dies bremst die
Gleitgeschwindigkeit stark ab und ermöglicht dem Tier eine sanfte Landung mit
dem Kopf nach oben.
Neuere Studien haben gezeigt, dass sich das Verhältnis der horizontal zurückgelegten
Strecke zum Höhenverlust zwischen 1 und 3 bewegt. Mit anderen Worten kann das
Gleithörnchen bis zu dreimal so weit horizontal gleiten, wie es an Höhe
verliert. Strecken von 10 bis 50 Metern scheinen beim Gewöhnlichen Gleithörnchen
üblich zu sein. Bei grösseren Arten sind sogar schon Gleitstrecken von bis zu
400 Metern beobachtet worden.
Erst
nach Sonnenuntergang munter
Das
Gewöhnliche Gleithörnchen ist ein strikt baumlebendes Waldtier, und seine Fähigkeit,
Lücken im Geäst oder lichte Stellen im Wald auf dem direkten Luftweg zu überbrücken,
bietet ihm wesentliche Überlebensvorteile: Zum einen kann es alle Winkel und
damit sämtliche Nahrungsquellen in seinem Wohngebiet erreichen, ohne jemals auf
den Boden hinuntersteigen zu müssen. Dies hilft, Energie zu sparen. Zum anderen
kann es sich auf gleitfliegende Weise geschickt vor seinen ärgsten
Fressfeinden, den Mardern, in Sicherheit bringen.
Leider ist es ein seltenes Glück, die
spektakulären Sprünge des Gewöhnlichen Gleithörnchens in freier Wildbahn
beobachten zu können. Denn wie alle Gleithörnchen, aber im Gegensatz zu den
Erd- und Baumhörnchen, welche grossenteils am Tag rege sind, ist es
mehrheitlich in der Dämmerung und nachts unterwegs. Den Tag verbringt es in
einem Kugelnest aus Flechten und Moosen, das zumeist in
einer ehemaligen Spechthöhle untergebracht ist, manchmal aber auch frei in
einem Fichtenwipfel liegt. Erst nach Sonnenuntergang wird es munter und beginnt
dann, in den Baumwipfeln umherzulaufen
und nach Nahrung zu suchen.
Die Kost des Gewöhnlichen Gleithörnchens setzt sich zur Hauptsache aus
pflanzlichen Stoffen zusammen. Je nach lokalem und saisonalem Angebot spielen Nüsse,
Samen, Beeren, Knospen, Blüten und junge Blätter, aber auch Koniferennadeln
und Rinde eine unterschiedlich große Rolle. Hin und wieder scheint das wendige
Hörnchen auch Insekten zu verspeisen und Eier in Vogelnestern anzuknabbern. Im
Herbst pflegt es im übrigen, in Baumhöhlen größere Vorräte aus Nüssen und
Samen anzulegen. Solche Futterreserven sind wichtig, weil es selbst im Norden
seines Verbreitungsgebiets keinen Winterschlaf hält.
Unterentwickelter Nachwuchs
Nach
einer Tragzeit von fünf bis sechs Wochen bringt das weibliche Gleithörnchen
jeweils im Frühling in seinem Schlafnest zwei bis vier Junge zur Welt und kümmert
sich in der Folge allein um sie, denn das Männchen will von Vaterpflichten
nichts wissen.
Die Jungen sind bei der Geburt erstaunlich «unterentwickelt»: Sie sind völlig
nackt, ihre Augen sind fest verschlossen, und sie wiegen lediglich etwa fünf
Gramm. Immerhin ist ihre Flughaut bereits erkennbar! Nach etwa einer Woche
erscheinen die ersten Haare des Fells, und nach etwa zweieinhalb Wochen ist das
Haarkleid vollständig vorhanden, doch erst nach viereinhalb Wochen öffnen sich
die Augen. Im Alter von etwa sechs Wochen beginnen die Jungen, das Nest zu
verlassen, um die nähere Umgebung zu erkunden und feste Nahrung zu sich zu
nehmen. Ungefähr in diesem Alter werden sie von ihrer Mutter auch entwöhnt,
doch bleiben sie noch geraume Zeit, in manchen Fällen bis in den Winter, mit
ihr zusammen.
Eigentümlich ist im Verhalten des Gewöhnlichen Gleithörnchens eine «baumweise»
Vergesellschaftung: Oft finden sich nämlich ausserhalb der Fortpflanzungszeit
auf einem einzigen Baum mehrere erwachsene Tiere, die stets dem gleichen
Geschlecht angehören. Dahingegen scheinen die erwachsenen Gleithörnchen im
Winterhalbjahr meistens paarweise eine Baumhöhle zu bewohnen. Diese
Beobachtungen zeigen, dass die Gesellschaftsstruktur der Art komplexer ist, als
man früher dachte; noch fehlen aber Studien, welche Klarheit hierüber
schaffen.
Gefährdete Waldheimat
In
freier Wildbahn muss sich das Gewöhnliche Gleithörnchen vor diversen
Fressfeinden in acht nehmen. Zu nennen sind besonders der Baummarder (Martes
martes) und der Zobel (Martes zibellina), ferner der Uhu (Bubo bubo), der
Bartkauz (Strix nebulosa) und weitere Eulenarten sowie unter Umständen (in der
Dämmerung) der Habicht (Accipenser gentilis). Im übrigen wird dem kleinen Hörnchen
besonders in Sibirien vom Menschen eifrig nachgestellt, und zwar wegen seines prächtigen
Pelzes, der unter dem Namen «Molenda» in den Handel kommt und meistens zu Besätzen
verarbeitet wird.
Weder Marder und Eulen noch Fallensteller und Jäger können allerdings den
Fortbestand des weitverbreiteten Gleithörnchens ernstlich gefährden.
Langfristig viel einschneidender wirkt sich die zunehmende, auf verschiedene
Ursachen zurückzuführende Zerstörung seiner Waldheimat aus: Zwar bildet die
Nadelwaldregion der Taiga noch immer das grösste zusammenhängende Waldgebiet
der Erde. Doch leider sind diese Nadelwälder heute ebenso von der Zerstörung
bedroht wie die tropischen Regenwälder: Für die Gewinnung von Bau- und
Brennholz wurden bereits grosse Teile der Taiga vollständig entwaldet. Und es
gibt Hinweise darauf, dass jetzt, aufgrund der enormen politischen und
wirtschaftlichen Umwälzungen im Osten, die Rodungen in der Taiga noch
ausgeweitet werden sollen. Nachdenklich stimmen ferner Pläne, wonach einige der
grossen sibirischen Flüsse umgeleitet werden sollen, um die Trockensteppen der
zentralasiatischen GUS-Staaten zu bewässern. Es besteht kein Zweifel, dass dies
verheerende Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem der Taiga haben würde.
In dichter besiedelten und stärker
industrialisierten Regionen der eurasischen Nadelwaldzone, so etwa im Baltikum,
erwächst der Waldheimat des Gewöhnlichen Gleithörnchens eine zusätzliche
Gefahr, die zwar weniger offensichtlich, weil schleichend, aber deshalb nicht
minder bedrohlich ist. Gemeint ist die allmähliche Verminderung des
Gesundheitszustands der Wälder durch die vom Menschen in die Umwelt abgegebenen
Schadstoffe aller Art. Das Phänomen des «Waldsterbens» ist nicht nur in West-
und Mitteleuropa, sondern auch in Osteuropa eine traurige Realität - und führt
unweigerlich zum Verlust oder doch zur massiven Schädigung weiter Waldstriche.
«Wappentier» der estnischen NaturschützerIn Estland, dem Ausgabeland
der vorliegenden Briefmarken, steht das Gewöhnliche Gleithoernchen heute auf
der Roten Liste der bedrohten Tierarten. Im übrigen wurde es vom Estnischen
Naturschutzfonds zu seinem «Wappentier» erklärt, weil es die höchst
interessante, aber leider immer stärker bedrängte Tierwelt Nordosteuropas
treffend symbolisiert.
In der Tat ist die Situation des kleinen Waldtiers alles andere als erfreulich:
Estland verfügt zwar über mehrere Naturschutzgebiete, doch liegen die meisten
davon in Sumpfgebieten und enthalten daher keine hochwüchsigen, geschlossenen Wälder,
wie sie das Gewöhnliche Gleithörnchen als Lebensraum benötigt. Nur in wenigen
Reservaten findet die Art günstige Lebensbedingungen. Erschwerend kommt seit
den tiefgreifenden politischen Veränderungen im Land hinzu, dass grosse Teile
des vormals verstaatlichten Landes reprivatisiert werden sollen, was die Zukunft
mancher Schutzgebiete sehr unsicher macht.
Es bleibt zu hoffen, dass die Esten in ihrem Bestreben, endlich den lang
ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung im Land herbeizuführen, ihre
Verantwortung für die Erhaltung der heimischen Fauna und Flora nicht ausser
acht lassen. Und es ist ferner zu hoffen, dass es in naher Zukunft europaweit
gelingt, dem beängstigenden, grenzüberschreitenden Phänomen des Waldsterbens
endlich durch die generelle Eindämmung des Schadstoffausstosses Einhalt zu
gebieten. Das Überleben des Gewöhnlichen Gleithörnchens und vieler weiterer
einzigartiger Vertreter der nordosteuropäischen Tier- und Pflanzenwelt hängt
davon ab.
Literatur
Ronald
M. Nowak: Walker's Mammals of the World. Johns Hopkins University Press,
Baltimore 1999.